Film

Leichtigkeit

Woody Allens Midnight in Paris ließ mich, als ich aus dem Kino kam, an die Prinzipien der ’Pataphysik denken, in erster Linie an die Methode, Metaphern und Tagtraummotive als Eintrittstore zu einer Parallelwelt zu verwenden, in der die erste Realität auf absurde Weise gespiegelt wird. Zwar war mir gleichzeitig bewusst, dass diese Assoziation (sie entsprang wohl meiner kürzlichen Lektüre von Boris Vians Erzählband Les Fourmis) in ihrer halbgebildeten Oberflächlichkeit der des Films gleich kommt – aber nach etwas Nachdenken wurde mir klar, dass sie doch danebengreift, denn Allens Parallelwelt bezieht sich nicht als Hyperrealität auf die Realität, sie ist nur einfach parallel, eine Flucht aus dem Heute – als Beschreibung des Heute mit seiner Tendenz zur Flucht. Vielleicht liegt die Assoziation auch nicht völlig daneben, denn die Schlussfolgerung, die mir auf der Zunge lag, erscheint mir nicht ganz falsch: Woody Allen zieht dem Absurden die spitzen Zähne – und zeigt die Milchzähne, die märchenhafterweise unter diesen liegen. Seine Oberflächlichkeit weiß um das Weh, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie uns wünschen – und möglicherweise auch nicht besser, wenn sie so wäre – und sagt zugleich: Sei leicht. Die Oberflächlichkeit der handelnden Personen auf der realen Ebene – die allenfalls Probleme mit sich und ihren Mitmenschen, keinesfalls soziale oder finanzielle haben – und die Klischeehaftigkeit der Repräsentanten der goldenen Zeitalter, an denen Allens verjüngtes Alter Ego Gil schlendernd vorbeizieht, sind nicht nur inhaltliches und stilistiches Prinzip, sondern Quintessenz: Das Leben hat keinen Sinn, die Welt ist verrückt, in welches Restaurant gehen wir heute Abend? Oder anders: Dem Mangel an Wahrem mag nicht abzuhelfen sein, aber der Mangel an Zauber kann durch Leichtigkeit mindestens ausgeglichen werden.

20. August 2011 von Kai Yves Linden
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