Philosophie

Ohnehin schon nackt

Steve Jobs, Andersdenker und Qualitätsfanatiker, ist tot. Gestern erlag der Mitbegründer von Apple, sieben Jahren nachdem ein Tumor an der Bauchspeicheldrüse bei ihm diagnostiziert wurde, der Krebserkrankung, von der er zunehmend gezeichnet war. Sie hielt ihn, Idol eines kreativen Kapitalismus, nicht davon ab, weiter als Visionär und „Evangelist” innovativer Computer-Produkte tätig zu sein. Aus seiner 2005 zur akademischen Abschlussfeier an der Stanford University gehaltenen Rede (Commencement Speech) wurde schon oft zitiert. Einen Abschnitt möchte ich dennoch hier noch einmal wiedergeben, denn er umreisst den Kern seiner praktischen Lebensweisheit, der in seiner Einfachheit universal anwendbar ist.

When I was seventeen I read a quote that went something like: “If you live each day as if it was your last, someday you’ll most certainly be right.” It made an impression on me, and since then, for the past 33 years, I have looked in the mirror every morning and asked myself: “If today were the last day of my life, would I want to do what I am about to do today?” And whenever the answer has been “No” for too many days in a row, I know I need to change something. Remembering that I’ll be dead soon is the most important thing I’ve ever encountered to help me make the big choices in life, because almost everything – all external expectations, all pride, all fear of embarrassment or failure – these things just fall away in the face of death, leaving only what is truly important. Remembering that you are going to die is the best way I know to avoid the trap of thinking you have something to lose. You are already naked. There is no reason not to follow your heart.

In meiner (fast wörtlichen) deutschen Übersetzung:

Als ich siebzehn war, las ich ein Zitat, das in etwa lautete: „Wenn du jeden Tag lebst als wäre es dein letzter, wirst du eines Tages wahrscheinlich auf dem richtigen Weg sein.” Es beeindruckte mich, und seitdem, in den letzten 33 Jahren, schaue ich jeden Morgen in den Spiegel und frage mich: „Wenn heute der letzte Tag in meinem Leben wäre, würde ich das tun wollen, was ich heute vorhabe?” Und wann immer die Antwort an zu vielen Tagen nacheinander „Nein” lautete, wusste ich, dass ich etwas ändern musste. Mich daran zu erinnern, dass ich bald tot sein werde, ist das Wichtigste, was ich je gefunden habe um mir zu helfen, die großen Entscheidungen in meinem Leben zu treffen, weil fast alles – alle äußeren Erwartungen, aller Stolz, alle Furcht vor Verlegenheit oder Versagen – alle diese Dinge angesichts des Todes einfach wegfallen und nur das übrig lassen, was wirklich wichtig ist. Sich daran zu erinnern, dass du sterben wirst, ist der beste Weg der Falle aus dem Weg zu gehen, etwas zu verlieren zu haben meinen. Du bist bereits nackt. Es gibt keinen Grund nicht deinem Herzen zu folgen.

6. Oktober 2011 von Kai Yves Linden
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