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Wald, genäht

Longway Im Oktober (und im November am Computer) habe ich meine dritte Waldserie realisiert, an die ich schon längere Zeit gedacht habe. An den Waldstücken auf Terschelling faszinieren mich am meisten die runden Wellen der Dünen, auf denen die Bäume stehen. Diese kommen bei einem möglichst weiten Betrachtungswinkel am besten zur Geltung. Statt eines Weitwinkelobjektivs habe ich mit meinem Standardobjektiv mit 30 mm Brennweite Teilbilder für Panoramen aufgenommen.

Mit einem zuverlässigen Drei-Wege-Neiger und Wasserwaage ist dies leicht durchzuführen – vor kurzem habe ich mir ein Manfrotto-Stativ angeschafft. Weil dieses schon einiges zum Gewicht der Fotoausrüstung beiträgt[1], verzichte ich auf einen Nodalpunktadapter[2], der auch ziemlich kostspielig ist. Zudem geht es mir nicht um eine dokumentarische Abbildung. Und draußen ist es ohnehin nie ganz windstill, was das Fotografieren von Pflanzen manchmal nicht ganz einfach macht. Unscharfe Überlappungen können ästhetisch durchaus eine aus der Not geborene Tugend sein. Aber ein gutes Stativ hilft, beim Schwenken in der Horizontale zu bleiben. Gradzahlen an der Schwenkachse ermöglichen eine zügige Aufzeichnung. Die meiste Arbeit allerdings ist das Zusammensetzen der Flicken am Computer. Für das Stitching, das „Zusammennähen”, benutze ich das quelloffene Hugin – ein phantastisch gutes Werkzeug, das schon allein mit automatischen Einstellungen oft gute Ergebnisse liefert.

Die Selbstähnlichkeit eines Waldes führt dazu, dass der Panoramakreis oder das Kreissegment, sei es bei einem echten Rundbild, das 360° abdeckt, nicht zu erkennen ist, wenn die Projektion oder ein besonderes Bildelement keinen Hinweis geben: Der Kreis klappt dann, insbesondere bei einer zylindrischen Projektion, in eine lange Gerade um und das Fehlen eines Fluchtpunktes flacht den Raum ab. Damit bin ich in den fünf Bildern unterschiedlich umgegangen. Der durch den gewählten Ausschnitt hergestellte Aufbau kann das Auge durch das Bild führen (im Bild 111029-2 durch die Spannung von oben und unten einerseits und vorne und hinten andererseits), dennoch wird es durch die Projektion getäuscht. Starke Schatten verraten dagegen den tatsächlichen räumlichen Verlauf (111029-1). Die optisch verzerrenden Projektionen, die ich zudem asymmetrisch verschoben habe, haben die stärkste räumliche Wirkung – sei es durch widersprechende Anziehungspunkte hinten und vorne auf gegenüberliegenden Seiten (111031-1) oder durch eine Fischaugenperspektive, welche eine weite Staffelung von Raumebenen aufsaugt (111031-13). Nichtdestoweniger kann eine flache Abbildung gut zur Bildaussage passen, wie etwa bei dem ins Blaue getönten Bild, das kurz vor Sonnenuntergang aufgenommen wurde (111029-4).

Die Wälder auf Terschelling wurden von Menschenhand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angelegt. Dabei wurde erstmals eine besondere Pflanzmethode angewandt, bei der jedem jungen Baum ein nasser Torfballen mitgegeben wurde, der ihm das Überleben im trockenen Sand erleichtern sollte. In letzter Zeit werden die Kiefern (Pinus nigra) etwas ausgelichtet, um der Natur mehr Spielraum für eine Durchmischung der Arten, wie etwa Laubbäumen, zu geben. Zu den ältesten Baumpflanzungen gehören die entlang eines einstigen Sandweges, der vom Hafenort Terschelling-West zum ersten Nordseebad auf der Insel führt, in dessen Umkreis die Ferienhaussiedlung West aan Zee entstand. Ich habe für meine Bilder die Waldstücke um den ursprünglich Badweg, heute Longway[3] genannten Weg gewählt, einerseits weil sie von meinem Feriendomizil bequem zu erreichen waren und andererseits weil die hier eher schmaleren Stellen viel Sonnenlicht durchlassen. Auch der schon erwähnte in der Höhe sinuierende Dünenboden ist hier besonders ausgeprägt. (Zur Fotogalerie→)

1. Aluminiumdreibein Manfrotto 190XB mit Dreiwegekopf 808RC4 und Wechselplatte 410PL: 3,2 kg.
2. Je weiter die Eintrittspupille vom Drehpunkt entfernt ist, desto größer der Parallaxenfehler.
3. Der Name Longway der Verbindung, die heute vor allem mit Fiets (Fahrrad) genutzt wird, soll auf die Arbeiter zurückgehen, die als Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit während des ersten Weltkrieges mit der Baumpflanzung und mit der Verhärtung jenes Weges mit Muschelschalen beschäftigt wurden. Sie sollen nämlich häufig das auch in den Niederlanden populäre britische Variété- und Marschlied “It’s a Long Way to Tipperary” gesungen haben. Zum Namen passt, dass der Weg, der später mit Anschlussstrecken in die Mitte der Insel fortgesetzt wurde, nach dem Hoofdweg, der Hauptstraße der Insel, der zweitlängste ist.

14. November 2011 von Kai Yves Linden
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