Dies und das

Beobachtung aus der Luft

Unbemannte Luftfahrzeuge (en. unmanned aircraft systems, UAS), auch Drohnen genannt, werden inzwischen nicht nur militärisch genutzt. Es scheint, als würden sie den erdnahen Luftraum, in verschiedenen Größen und Formen und in unterschiedlicher Mission, bald in einer Zahl durchqueren, welche die der Satelliten in den höheren Sphären der Erdhülle übertrifft. Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin wirbt für den Ausstellungsbereich UAS-Plaza mit dem Slogan Get ready for the UAS age. Die Anwendungen sind vielfältig, meistens wird die Technologie zur Erfassung von Daten eingesetzt. Zwei Datenschutzaktivisten der Electronic Frontier Foundation, Trevor Timm und Parker Higgins, versuchen in einem in The New Inquiry erschienenen Artikel die Frage zu beantworten, wie die Zukunft mit Drohnen aussehen könnte.

Der Titel Nobody Knows You’re a Drone parodiert die Bildunterschrift einer berühmten Karikatur, auf der zwei Hunde an einem Computer sitzend zu sehen sind: „Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist.” Die Abwandlung „Niemand weiß, dass du eine Drohne bist” spielt nicht nur darauf an, dass man einer Drohne nicht unbedingt ansehen kann, wer sie (fern-)steuert, sondern auch darauf, dass es jeder sein könnte. Es stimmt, dass es bei den Parallelen zwischen dem Homebrew Computer Club — in dessen Kreis sich um 1980 die Idee des Personal Computer entwickelte, der die einmal fast ausschließlich dem militärisch-industriellen Komplex zugehörige Technologie jedem zugänglich machte — und einem Netzwerk von Benutzergruppen wie DIY Drones — frei übersetzt „Drohnen selbstgemacht” — schwer ist, nicht von einer Mischung aus Aufregung und Beklemmung erfasst zu werden[1].

Steve Jobs’ (einst Mitglied des Homebrew Computer Club) Vergleich von Fahrrad und Computer[2] aufgreifend fragen sich die Autoren, was Drohnen, vom Militär befreit und von der allgemeinen Öffentlichkeit operiert, für uns sein könnten. Erweitern sie weniger, wie Computer, Wissen und Denkvermögen, wie das Fahrrad unsere Fortbewegung, als einfach nur die Reichweite des Blickes – oder auch die Art und Weise zu sehen? Drohnen existieren in einem seltsam intimen Bereich, dieser dünnen Membran zwischen uns und der Welt, das erweiternd und filternd, was wir aufnehmen. Statt unser Verständnis zu verbessern, erweitern sie unsere Sinne.

Der Selbstbau von unbemannten Kleinstflugzeugen interessiert nicht nur technikbegeisterte Bastler. Initiativen wie OccuCopter aus dem Umkreis der Occupy-Bewegung, Baupläne für kostengünstige unbemannte Miniaturhubschrauber oder Luftschiffchen zu entwerfen, sollen der luftgestützten Überwachung durch Staatsorgane eine von Bürgern kontrollierte Überwachung entgegensetzen, etwa um Vorkommnisse von brutaler Polizeigewalt dokumentieren zu können. Es gibt einige Projekte, die dazu beitragen, die Technologie zu verbreiten und zu demokratisieren. Allerdings wird das Ungleichgewicht der Macht durch Systeme wie Gorgon Stare, einem Programm der U.S. Air Force zur Überwachung von ganzen Städten, eindeutig befestigt. Kann weit gestreute durch Technologie ermöglichte Überwachung den Einfluss solcher Systeme unterminieren und die Machtverhältnisse rekalibrieren, wie die Autoren meinen?

Sie schließen ihren Artikel mit der Feststellung, dass es ein Fehler sei, die Drohnenrevolution mit dem gleichen blauäugigen Optimismus oder technologischen Utopismus wie dem der Pioniere des Personal Computer zu sehen, denn es sei keine Frage, dass die neue Technologie eine echte Bedrohung unserer Freiheiten darstellt. Sie wenden sich ebenso gegen die zynische Erwartung, dass alles schlechter wird. Drohnen werden kommen, um den Himmel in naher Zukunft zu beherrschen, soviel wissen wir. Aber wessen Drohnen es sein werden, und ob sie das öffentliche Interesse weiterbringen werden, ist noch eine unbeantwortete Frage.

1. Trevor Timm, Parker Higgins: Nobody Knows You’re a Drone, http://thenewinquiry.com/essays/nobody-knows-youre-a-drone, in The New Inquiry, Vol. 6 “Game of Drones“.
2. “I read a study that measured the efficiency of locomotion for various species on the planet. The condor used the least energy to move a kilometer. Humans came in with a rather unimpressive showing about a third of the way down the list. […] That didn’t look so good, but then somebody at Scientific American had the insight to test the efficiency of locomotion for a man on a bicycle. […] That’s what a computer is to me: It’s the most remarkable tool that we have ever come up with. It’s the equivalent of a bicycle for our minds.” (Steve Jobs, in Memory & Imagination: New Pathways to the Library of Congress, TV-Dokumentation von Michael Lawrence, 1990)

15. September 2012 von Kai Yves Linden
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