Dies und das
Wohin mit dem Blech
Wieder in Düsseldorf zurück – nach einer kleinen Tour in der Mitte Frankreichs, die meine Frau und mich durch das Berry, die Sologne und das Loire-Tal der Touraine geführt hat. In Tours, das wir als lebendige Stadt erlebt haben, die sich neu gestaltet, wobei Restaurierung des historischen Erbes – das in Tours wegen der Zerstörungen vor allem durch die deutsche Luftwaffe im zweiten Weltkrieg zum Teil rekonstruiert werden musste – und Modernisierung nebeneinander laufen, hat eine Abwesenheit meine Augen erfreut: die Abwesenheit von abgestellten Fahrzeugen, die den Straßenraum verstellen. Zwar ist diese Abwesenheit noch rudimentär – nicht überall in den beiden Vierteln des alten Tours ist der Blick auf die andere Straßenseite von Blechkisten unbehindert – doch sie ist Politik (Informationen auf französisch: Stationner à Tours).
Weltweit ist es in Altstadtbezirken üblich, schon wegen der engen Straßen, das Durchfahren und Beparken einzuschränken. In Tours ist zudem auch in breiteren Straßen das Parken teilweise nicht zugelassen, was beim Flanieren angenehm auffällt. Das Fehlen von abgestellten Autos ermöglicht einen im einfachen Wortsinn unverstellten Blick, der freigewordene Raum gibt den Fußgängern mehr Bewegungsfreiheit – die nur wenig eingeschränkt wird, wenn der gewonnene Streifen für einen von der Fahrbahn abgetrennten Fahrradweg genutzt wird. (Etwas polemisch sei hinzugefügt, dass Fahrräder nicht so laut, nicht so schmutzig und nicht so gefährlich wie Autos sind, und auch abgestellt nehmen sie weniger Raum ein und sehen zudem besser aus.)
Es scheint mir schwer zu leugnen, dass der motorisierte Verkehr in den Städten Europas das erträgliche Maß längst überschritten hat. In den wirtschaftlich stärksten Ländern beträgt das Verhältnis zwischen Einwohnern (nicht zu vergessen auch der nicht motorisierten) und Personenkraftwagen etwa 2:1, was bedeutet, dass eine große Zahl von Haushalten über mehr als ein Fahrzeug verfügt. (Im Jahr 2008 kamen auf 1.000 Einwohner in Deutschland 503 PKW.) Eine Stadt wie Düsseldorf mit 588.169 Einwohnern z.B. (am 31.12.2010) weist (am 1.1.2011) einen Bestand von 274.934 PKW auf, zu dem noch 38.912 andere Fahrzeuge kommen. Um 223.094 Fahrzeuge (am 30.6.2009 gezählt) pendeln täglich in die Stadt ein. Etwa ein Achtel des Verkehrs in der Innenstadt wird durch die Suche nach einem freien Parkplatz verursacht. (Quelle dieser Zahlen sind Statistiken der Stadt Düsseldorf.)
Abgesehen von Lärm und Verschmutzung, die der Verkehr produziert, haben wir uns daran gewöhnt, dass aneinandergereihte Karosserien, die ein nach Größenklasse variierendes Durchschnittsdesign vervielfältigen, das Straßenbild prägen, der sogenannte ruhende Verkehr. Eine Entfernung ruhenden Verkehrs aus dem Straßenraum mag als nur verschleiernde Abmilderung des Umstandes angesehen werden, dass wir unsere Städte der individuellen motorisierten Mobilität unterworfen haben, deren Vorrang durch Abtrennungen und Beschränkung von Übergängen untermauert wird. Tatsächlich müssen wir Mobilität als eine Voraussetzung des modernen Lebensstils begreifen – wir werden deshalb kaum auf sie verzichten können oder wollen. Wenn aber alles der Fortbewegung und ihrer Geschwindigkeit untergeordnet wird, bleibt vom Lebensstil nur die Geschwindigkeit übrig. Verminderung von Parkraum in den Straßen ist ein Mittel (unter anderen), die Vorherrschaft des Autos zurückzudrängen und den Straßenraum für den Fußgänger zurückzugewinnen.
Die Kosten können Nutzern des städtischen Verkehrsraums in Form von Parkgebühren zugemutet werden. Wenn der Bau von überdachten und unterirdischen Parkhäusern, sowie die Nutzung durch Anwohner mit öffentlichen Mitteln bezuschusst wird, drückt dies die Gemeinsamkeit des Interesses aus und stellt einen Ausgleich her, da die Notwendigkeit der Nutzung eines gebührenpflichtigen Parkhauses nicht für alle Stadtbewohner gegeben ist, die ein Fahrzeug halten. Auch wollen wir nicht unbedingt für die Erhöhung von Strafgebühren für das Falschparken plädieren – grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass Ausnahmen toleriert werden müssen, solange sie Ausnahmen bleiben, und dies bedeutet, dass wir auch Gehfaule ertragen müssen – aber das Bewusstsein, dass Fläche verbraucht wird, die allen gehört – und oft benötigt wird, etwa auf Fahrradwegen – sollte eine stärkere Verbreitung finden. Allerdings betrachten viele Städte das Falschparken als eine Einnahmequelle. Sonst würden sie es etwa durch Barrieren erschweren.
Eine völlige Verbannung des Verkehrs aus dem überirdisch sichtbaren Raum der Städte etwa durch umfassende Untertunnelung ist utopisch – und mutet auch merkwürdig futuristisch, also irgendwie von gestern an. Doch eine teilweise Unsichtbarkeit des ruhenden Verkehrs, insbesondere in den Innenstädten, trägt dazu bei, die Städte lebenswerter zu machen.