Dies und das
Eller Forst
Im Eller Forst habe ich mich seit meiner Jugend immer wieder aufgehalten. Heute wohne ich in unmittelbarer Nähe und gehe häufig durch den Wald, inzwischen fast jeden Tag – um mich eine halbe oder ganze Stunde lang mit zügigen Schritten fit zu halten. In meinen jugendlichen Jahren hatte ich etwa zehn Minuten mit dem Fahrrad bis zum Wald. Gut erinnere ich mich an die Stimmung eines Ferientages, an dem ich mich mit einer Tüte Kirschen, die ich vorher auf dem Markt gekauft hatte, an einer weichen und trockenen Stelle mitten unter die Bäume legte, durch deren Blätter das Sonnenlicht mild hervorleuchtete. Ich war allein ohne mich einsam zu fühlen. Weiterlesen →
Dies und das
Absurde Konklusion
Dieser Tage musste ich mich einer Operation am offenen Herzen unterziehen. In den nachfolgenden Nächten habe ich nicht viel geschlafen. Im Halbschlaf versuchte mein Gehirn Überwachungssignale, körperliche Wahrnehmungen und Gedankenschleifen in eine Ordnung zu bringen, die es mir nicht zuletzt ermöglichen würde, den wellenförmig aufkommenden Hustenreiz und das mit Schmerz verbundene Abhusten von Schleim besser zu kontrollieren. Nach wieder endlosem Durchlaufen sich wiederholender Übersetzungssequenzen – deren Unfug mir beim Erwachen zwischendurch jedesmal augenblicklich klar war – realisierte mein Gehirn schließlich, dass der Ansatz den Hustenreiz durch umleitende Zuordnungen in ein ausklingendes Kitzeln zu verwandeln – eine Idee, die vor dem Hintergrund meiner beruflichen Beschäftigung mit Hypertext und Internetadressen zu sehen ist – nicht zuletzt deshalb zum Scheitern verurteilt war, weil diese nicht festgeschrieben werden konnten, sondern immer wieder neu gedacht werden mussten. Weiterlesen →
Musik
Weihnachtspfeifer
Wenn es ein Land gibt, das für mich mit Weihnachten konnotiert ist, dann ist es Italien. Das ist natürlich ganz subjektiv. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Pifferari (Pfeifer), die ich nur aus Überlieferungen mir vorstellen kann, weil ihre Zeit lange vor der liegt, die ich unmittelbar erleben kann. Im südlichen Italien kamen die Pifferari, nach der in den Bergen verbreiteten Sackpfeife auch Zampognari genannt, arme Bauern und Hirten, vom Land in die Städte, vor allem nach Rom, um sich in der Zeit vor Weihnachten (Novena di Natale) mit Ständchen etwas dazu zu verdienen. Weiterlesen →
Musik
Musik über Musik
Manchmal suche ich in meinem privaten digitalen Archiv nach Beispielen, wie ich etwas einmal gelöst habe, oder ich bin irgendwie in Gedanken auf etwas gekommen, was dort zu finden ist, und habe Ideen für eine verbesserte Version. Letzteres ist der Fall bei meiner Radiophonie (in früheren Versionen auch Radiophone Sequenzen), einer Montage von Musik- und Sprachausschnitten aus Radioprogrammen in den Sendefrequenzbereichen Ultrakurzwelle, Kurzwelle und Mittelwelle, deren erste Version ich 1979 erstellt und 1985 um weitere Sequenzen ergänzt hatte.
Meine ursprünglichen Ausgangsideen waren zum einen das Drehen am Senderwahlrad (Standard beim analogen Empfang der vordigitalen Zeit) als durch das Medium gegebener Zwischenzustand und zum anderen die Anlehnung an die Schnitttechnik beim Film, die unterschiedliche Einstellungen in einen syntaktischen und damit in einen semantischen Zusammenhang bringt. Weiterlesen →
Musik
Das wohltemperirte Clavier, Fuga 14
Seitdem mir die kurzen Notenwerte aufgefallen sind, die in manchen Stücken der beiden Bände des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach in Ausnahmestellung erscheinen, lassen mich diese nicht mehr los. In der fis-Moll-Fuge des ersten Bandes sind es zwei Sechzehntel, die die sonst fast durchgehende Achtelbewegung einmalig im 29. von insgesamt 40 Takten beschleunigen. Es ist wahrscheinlich, dass Aufbau und Verlauf der Fuge einen Hinweis darauf geben können, was die ausnahmsweise Notenwertverkleinerung motivieren könnte. – Um die Ausnahme zu verstehen ist es notwendig das Ganze zu verstehen. Weiterlesen →
Film
Das muss der Himmel sein
Gestern schaltete ich abends den Fernseher an und wurde sofort von einem Film gefesselt, der schon angefangen hatte: It Must Be Heaven, eine Komödie des palästinensischen Filmemachers Elia Suleiman.[1] Sein Autor und Hauptprotagonist als stiller Beobachter E.S. erinnerte mich an die Figuren Marcovaldo und Palomar in den gleichfalls episodischen Erzählbänden von Italino Calvino ‒ so dass ich mir kaum vorstellen kann, Suleiman habe Calvino nicht gelesen. Die scheinbar naive Kontemplativität evoziert ebenso Jacques Tati in Mon oncle und die unbeugsame Schweigsamkeit, die E.S. auszeichnet, Buster Keaton, der in seinen Stummfilmkomödien ganz ohne Worte (Zwischentitel) auskam. Weiterlesen →
Dies und das
Die Gender-Apnoe
Die Gender-Pause verbreitet sich zunehmend – beim öffentlichen Sprechen (bei privaten Gesprächen begegnet sie einem weit seltener), jedenfalls überall, wo auf Geschlechtergerechtigkeit Wert gelegt wird. Die Intention ist nicht, das glaube ich, die Sprache zu deformieren. Vor allem die auf der rechten Seite des politischen Spektrums und insbesondere die ganz rechts ärgert die Beliebtheit der Lösung, die vor allem bei denen zunimmt, die eine aufgeklärte, „aufgewachte“ oder nur tolerante Position vertreten, und das wäre durchaus ein Grund für mich sich zu freuen. Nur leider verursacht die etwas künstliche Lösung bei mir eine Art Schmerzempfindung, die sich aus der empathischen Mimesis ergibt. Weiterlesen →
Literatur
Das Leben lügt nicht
An manchen Tagen höre und lese ich so viele schlechte Nachrichten aus der Welt, von Menschen, die unter Ungerechtigkeit und Willkür leiden müssen, dass am Ende fast nur noch Zweifel übrig bleibt. Unter denen, die verfolgt, gequält und eingesperrt werden, auch heute, auch in Europa, sind Dichter und Dichterinnen. Stellvertretend für so viele von ihnen zitiere ich hier die Zeilen eines Gedichtes von İlhan Sami Çomak, einem kurdisch-türkischen Dichter, in meiner eigenen Nachübersetzung einer Übersetzung von Caroline Stockford ins Englische.[1] Gedichte sind ein Mittel, uns zweifeln zu lassen, aber nicht verzweifeln. Weiterlesen →
kymbala
Verschlankung
Viele Dinge interessieren mich, vielleicht zu viele. Oft ist meine Beschäftigung mit diesen eher oberflächlich, kann doch niemand vielseitig sein und zugleich überall in die Tiefe gehen ‒ außer das Universalgenie, das es nicht gibt. Und wäre es möglich, das Ideal enzyklopädischer Universalität erscheint mir nicht wirklich anstrebenswert. Aber es ist unerreichbar, allein schon, weil alle Erscheinungen der Welt in ständigem Werden und Vergehen begriffen sind. Weiterlesen →
Musik
Das Licht, vom Dunkel geordnet
Vor einem Jahr, am 18. Juli 2018, ist der Komponist Wolfgang Hufschmidt vierundachtzigjährig verstorben. Ich habe ein wenig schlechtes Gewissen, denn das vorletzte Mal, als ich ihn bei einem Konzert sah, hatte ich versprochen, dass ich ihn mit einer Weinflasche besuchen werde. Leider ist es nicht mehr dazu gekommen. Das letzte Mal begegnete ich ihm wieder bei einem Konzert, da schien er mir schon gesundheitlich angeschlagen. Fünf anregende Jahre lang, die mein Denken beeinflusst und erweitert haben, nicht nur das musikalische, von 1982 bis 1987, war er mein Kompositionslehrer. Weiterlesen →