Rezepte

Schweinpilz

Von den Hypothesen zur Herkunft des deutschen Namens Steinpilz des Boletus edulis[1] leuchtet mir die einer Lautverschiebung aus der Eindeutschung des italienischen Namens porcino am ehesten ein, welcher wiederum auf das lateinische Wort für Schwein porcus zurückgeht. Einige Etymologen führen den Vergleich mit einem Stein auf die Festigkeit des Fleisches zurück ‒ was ein wenig übertrieben erscheint ‒ andere auf Form und Oberfläche, die besonders bei nasser Witterung an einen von einem Wasserlauf abgerundeten Stein erinnert.[2] Mancherorts wird er auch Herrenpilz genannt, denn im Mittelalter war das Sammeln dieses Pilzes der „Herrschaft” vorbehalten. Man muss heute nicht steinreich sein, um Steinpilze auf dem Markt kaufen zu können, aber bei einem Kilopreis zwischen 40 und 80 Euro handelt es sich um ein nicht ganz kostengünstiges Vergnügen.

Häufig sind die Pilze von Maden befallen, weshalb sie üblicherweise halbiert angeboten werden. Das Halbieren ist allerdings keine sichere Methode, um Madenbefall festzustellen, denn die Gänge gehen nicht unbedingt durch die Mitte der Röhre. Steinpilze sind oft unter Fichten und in unmittelbarer Nachbarschaft von Fliegenpilzen zu finden. Unsere Wälder werden im Herbst, wenn die Pilze ihre Fruchtkörper ausbilden, seit einigen Jahren häufig von Handel treibenden Sammlerkolonnen leergefegt, die sich nicht darum scheren, dass das Sammeln eigentlich nur für den eigenen Verzehr erlaubt ist.

Ein klassisches Gericht mit Steinpilzen aus dem italienischen Norden ist Risotto ai funghi. Für vier Personen werden 200 g Pilze in dünne Scheibchen geschnitten und in mit drei Knoblauchzehen angereichertem Olivenöl ein paar Minuten lang angebraten. 300 g Arborio-Reis werden auf die übliche Weise in einer Mischung aus Butter und Olivenöl, in der zwei Sardellenfilets aufgelöst wurden, nachdem die unverzichtbare feingehackte kleine Zwiebel goldbraun geworden ist, zusammen mit einer Handvoll Pinienkernen zunächst angebraten, dann mit einer Mischung aus Brühe und zerhackten Tomaten gegart, von der nach und nach immer gerade soviel hinzugefügt wird, dass der Reis nicht trocknet oder anbrennt. Mit der letzten Flüssigkeitsgabe werden die Pilze hinzugefügt und das Risotto kann aufgetischt werden.

Eine Variante des Pilz-Risottos haben wir letztens nach Alain Ducasse zubereitet. Ducasse hat, zusammen mit seinem Küchenchef Jean-François Piège, die Haute Cuisine modernisiert und um Einflüsse aus der mediterranen, vor allem italienischen[3], und der nordafrikanischen Küche bereichert. Sein 2001 erschienenes Grand Livre de Cuisine bringt allerdings trotz vieler küchentechnischer Vereinfachungen jede Hausfrau und jeden Hausmann ohne Personal und ohne bis zum Rand gefüllte Haushaltskasse rasch zur Verzweiflung.[4] Manch einer sieht in ihm einen Aufschneider, der alles trüffelt, aber einige seiner Rezeptideen sind schlicht genial. Ducasse’ Risotto aux cèpes ist wahrscheinlich nicht besonders gesund, aber außerordentlich schmackhaft. Ein großzügiges halbes Kilo von halbierten Steinpilzen für vier Personen wird schwimmend in geklärtem Entenfett (das wir durch Gänsefett ersetzt haben) eingekocht, das zuvor mit Knoblauch, Thymian und getrockneter Schweinebrust[5] aromatisiert wurde. Der Arborio und ein feingehackter Steinpilz werden mit einer Mischung aus Geflügelfond, Hühnerbrühe und Weißwein benässt. Nach der Garung wird geriebener Parmesan unter den Reis gemischt. Die Teller werden mit dünnen Scheibchen von jungen Steinpilzen (weitere 150 g), Spänen von Parmesan und einem Cordon von Kalbsfond serviert. Voilà.

1. Der botanische Name Boletus edulis kennzeichnet ihn als essbaren Boletus (idem Pilz) – wobei es noch andere Arten in der Gattung der Dickröhrlinge gibt, die von gutem Geschmack sind, als auch ungenießbare und sogar giftige.
2. Der französische Name cèpe geht auf lateinische Wort cippus „Pfahl” zurück, aus dem im Deutschen übrigens über Umwege auch Kipfel entstanden ist.
3. Nun ist der Ursprung der hohen Küche der französischen Art bereits italienisch, denn das Raffinement der Zusammenstellung und Verbindung von Gewürzen brachte Caterina de’ Medici, ansonsten keine allzu sympathische Figur der Geschichte, mit ihren Köchen aus ihrer toskanischen Heimat mit. Der wichtigste Einfluss der italienischen Küche wiederum war die arabische. Die französische Kochkunst trieb dann aber die Verfeinerung so weit, dass ihre Ursprünge kaum bemerkbar wurden.
4. Die französische Fernsehköchin Sophie Dudemaine hat 2005 ein praktisches Kochbuch mit 100 Rezepten des Maestros veröffentlicht, für jeden zugänglich gemacht (rendues accessibles à tous). Das Buch wurde auch ins Deutsche übersetzt: Ducasse ganz einfach dank Sophie. Da Ducasse inzwischen mit der Collection facile selbst diesen Markt für sich entdeckt hat, wurde der französische Titel in La cuisine de Ducasse par Sophie geändert.
5. Poitrine de porc sechée ist eine der französischen Spezialitäten, die auch ein ambitionierter deutscher Metzger nicht anbietet, aber in größeren Städten in Delikatessengeschäften zu finden sind, in Düsseldorf z.B. am französischen Stand auf dem Carlsplatz.

12. Oktober 2011 von Kai Yves Linden
Kategorien: Rezepte | Schlagwörter: , , | 1 Kommentar