Musik
Gefaltetes Papier
Philippe Manourys Orchesterstück Sound and Fury wurde vor ein paar Tagen zum zweiten Mal nach siebzehn Jahren ‒ in einer neuen Fassung uraufgeführt. Es ist eine Musik, in der Klangrede und Klangentfaltung jeweils aus einander hervorgehen. Sie scheint immer wieder an einem Ort stehen zu bleiben, wo sie sich auflädt um sich dann woanders hinzuwenden. In einem Interview anlässlich des Konzertes weist Manoury auf die von Marcel Proust entwickelte literarische Technik der Paperolles als Vorbild hin. Die in der französischen Literaturwissenschaft aufgekommene Bezeichnung vergleicht das Verweben von Erzählsträngen mit dem Falten von Papier zu ornamentalen Mustern. Der Titel des Stücks ist an einen Romantitel von William Faulkner (The Sound and the Fury, de. Schall und Wahn) angelehnt. Ich habe das Orchesterstück, das eine Hälfte eines Konzertabends ausfüllt, am vergangenen Sonntag mit weiteren wunderbaren Stücken (von Enno Poppe, Luciano Berio und Alban Berg) beim Festival NOW! in Essen gehört. (Der Mitschnitt wird am Donnerstag, den 3. November 2016, von 20:04 bis 22.00 Uhr im Radioprogramm WDR 3 gesendet.)
Musikinteressierten, die Französisch lesen können, sei nebenbei die Lektüre der Musikanalysen empfohlen, die Manoury auf seiner Web-Seite zur Verfügung stellt. Sie entstanden im Rahmen seiner Lehrtätigkeit im kalifornischen San Diego, verlangen aber nicht zu viele musiktheoretische Vorkenntnisse. Seine Hypothesen zum Anfang des Requiems von Mozart sind auch im Hinblick auf sein eigenes musikalisches Denken aufschlussreich. Manoury legt in einer spekulativen Rekonstruktion der Genese der analysierten Anfangstakte überzeugend dar, wie sich Mozarts Stil über dem Gitternetz (fr. canevas) von zwei Kanons entfaltet, in dem diese einerseits auf klassischen Kontrapunkt verweisen und andererseits durch eine Vielzahl von kunstvollen Abweichungen von den Regeln Ausdruck gewinnen.