Eisfarben

Eisfarben Als ich einmal im Januar an die Senke im Eller Forst kam, die ich zwischen Winter und Sommer 2024 in verschiedenen Zuständen fotografiert hatte, war ich erstaunt und fasziniert, auf dem Regenwasser, das sich schon seit längerem in der Mulde angesammelt hatte, eine Eisschicht zu sehen. Die dünnen weißen Eisplatten am Rand der Wasserlache zeichneten ihren Verlauf deutlich ab, der sonst von Lichtreflexen und Fetzen von Spiegelungen von Himmel und Bäumen eher skizziert wird. Zwar hatte ich, um die winterliche Stimmung zu dokumentieren, nur mein Mobiltelefon, ein iPhone, bei mir, wobei das flache Licht der tiefstehenden Sonne, die Kahlheit der Bäume sowie meine Neigung zur Unterbelichtung zu einer durchgehenden Kontrastarmut beigetragen haben, doch reizte es mich jetzt zu versuchen, aus diesen Fotos mehr herauszuholen.

Digitale Schwarzweißentwicklung hat gegenüber einer analogen Belichtung den Vorteil, dass allen Farbwerten unterschiedliche Helligkeitsgrade zugeordnet werden können, wodurch Details in den entsprechenden Farbtönen nahezu beliebig verborgen oder hervorgehoben werden können. Eine moderate Abweichung von einer einfachen Summierung der Farbkanäle ergibt eine eher „warme“ oder eher „kalte“ Abstufung; durch stärkere nicht-lineare Abweichungen vom „natürlichen“ Helligkeitseindruck der Farben entstehen Effekte, die der Solarisation ähneln. Die digitale Schwarzweißentwicklung ist also gewissermaßen eine Art Falschfarbenentwicklung, soweit die Gradation mehr oder weniger stark von der Helligkeitswirkung der aufgezeichneten Farben abweicht. Falschfarben, die eigentlich umgekehrt durch die Umsetzung von Graustufen in Farben entstehen, werden in der Astronomie und in der Medizin verwendet, um Details herauszuarbeiten, die sonst schwer zu erkennen sind, aber sie können auch als ästhetisches Mittel dienen, um eine experimentelle oder surreale Kunstwirkung zu erzielen.

Meine Falschfarbenbearbeitungen verbinden beides: Einerseits ging es mir darum, den lokalen Kontrast durch Farben zu verstärken und dadurch Einzelheiten besser erkennbar zu machen; andererseits um die semantischen und emotionalen Assoziationen, die mit Farben verbunden sind und eine bestimmte Stimmung herstellen. Durch die Überlagerung verschiedener Bearbeitungsebenen konnte ich teilweise die den abgebildeten Objekten eigenen Farben neben eindeutige Ein- und Umfärbungen stellen. Die verschiedenen „Entwicklungsverfahren“ mit ihren unterschiedlichen Umwandlungen der Gradation und Umsetzungen von Gradationen von Farbwerten und Helligkeitswerten werden durch Maskierungen gewichtet, die wiederum auf Farb- und Helligkeitsbereichen basieren.

In der Farbgestaltung der Bilder beziehe ich mich auf Kombinationsprinzipien, die Josef Albers in “Interaction of Color” dargestellt und in vielen seiner “Homages to the Square” ausprobiert hat. Aus den Versuchen mit der Wahrnehmung von Grundfarben – die dabei nicht unmittelbar präsent sein müssen – leite ich den Ansatz ab, in jedem Bild jeweils drei Hauptfarben herauszuarbeiten.

Zwischen die Falschfarbenbilder habe ich, gewissermaßen zur Erholung des Auges, „normal“ wiedergegebene Nahaufnahmen der vereisten Wasserlache gestellt. (Zur Fotogalerie→)


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