Dies und das

Op de Heid

Der Kleingarten, das kleinbürgerliche Refugium. erhält durch Initiativen für eine autarke Lebensmittelversorgung heute wieder einen emanzipatorischen Aspekt. Eine Reihe von Kleingartenkolonien in Düsseldorf entstand in einer Zeit, die für weite Teile der Bevölkerung durch Hunger und Wohnungsnot geprägt war. 1919 begann das Gartenamt damit, Brachland in Parzellen aufzuteilen und als Kleingärten an private Haushalte abzugeben, um diesen Gelegenheit zu geben, ihren Bedarf an Nahrungsmitteln durch Selbstversorgung zu decken.

Viele Kleingärtner nutzten die Lauben, die sie auf ihren Parzellen errichteten, auch als Wohnung. Aus Mangel an sozialpolitischen Alternativen wurde die halblegale Besiedlung von der Stadtverwaltung toleriert. Die Siedler organisierten sich bald in Vereinen wie dem Gartenverein Solidarität, zu dem sich die Kleingärtner und halbagrarischen Siedler im Gebiet entlang des Bahndamms am Höherweg zusammenschlossen. Eines der Ziele dieser Vereine war es, durch Pachtverträge die wilde Nutzung von angrenzenden Parzellen zu legalisieren und weitere hinzuzugewinnen.

In der Golzheimer Heide im Norden von Düsseldorf, dort wo die preußische Armee zuvor ein Exerzier- und Schießgelände unterhalten hatte, dem Heinefeld, entstand nach dem Abzug der belgisch-französischen Besatzungstruppen im Sommer 1925 eine wilde Siedlung. Die ersten Wohnungslosen, die hier Notunterkünfte suchten, richteten sich in ehemaligen Munitionsschuppen ein, später hinzukommende errichteten Erdhütten und Verschläge aus Brettern. Die Verwaltung blieb, von gelegentlichen Strafmandaten abgesehen, weitgehend untätig. Ende 1931 wurden die Siedler, inzwischen Hunderte von Familien, auf etwa 800 Parzellen an fünf Standorten im Stadtgebiete verteilt. Die Stadt folgte dabei einem Erlass der Reichsregierung, wobei sich ihre Tätigkeit weisungsgemäß auf die Überlassung von Gelände beschränkte (Heinefeld, Rotes Haus, Thewissen im Norden, Torfbruch und Tannenhof im Südosten).

Auf dem Heinefeld selbst wurden 200 Parzellen neu verteilt. Auf einem Teil des Geländes lagerten außerdem, in Wohnwagen und Hütten, zugewanderte Zigeuner. Der Künstler Otto Pankok besuchte sie häufig und zeichnete sie. Er war 1930 bei einem Aufenthalt an der südfranzösischen Küste pilgernden Zigeunern begegnet und fühlte sich seitdem von ihrer Lebensweise angezogen. 1934, etwa ein Jahr nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurde der Kaplan Matthias Becker als erster Rektor einer neuen katholischen Gemeinde in der Golzheimer Heide ernannt. Er setzte sich für die unter Armut leidenden und nun zunehmend von Verfolgung bedrohten Menschen ein, musste jedoch, um selbst der Verfolgung zu entgehen, bald fliehen und sich verstecken. Die Nazis beabsichtigten auf dem Gelände eine umfangreiche Gedenkstätte für den 1923 wegen Sabotage gegen die französisch-belgische Besetzung hingerichteten Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter zu errichten, einschließlich eines Aufmarschplatzes. Die Zigeuner wurden in wechselnden Lagern interniert, ab 1937 in einem Lager am Höherweg. Viele Zigeuner – die heute nach ihrer Eigenbezeichnung als Roma und Sinti benannt werden – wurden in Vernichtungslager deportiert und ermordet.

Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes wurden überlebende Sinti zunächst wiederum im Lager am Höherweg zusammengefasst. Später wurde ihnen ein Ödland am Rand des Stadtteils Eller, unweit des Bahnübergangs Am Hackenbruch zugewiesen. Nachdem die Sinti hier einige Jahrzehnte lang in Wohn- und Bauwagen gelebt hatten, wurde auf dem Gelände 1983 eine Wohnanlage mit 21 schlichten Häusern eingeweiht. Die durch diese führende Straße wurde ein Jahr später, achtzehn Jahre nach dem Tod des Künstlers, der nach dem Krieg wieder an der Kunstakademie gelehrt hatte, in Otto-Pankok-Straße benannt.

Die Siedlungen im einstigen Torfbruchgebiet an der Bertastraße und am Ostpark, die von der Dreherstraße getrennt werden, lassen mit ihren kleinen einfachen Häusern, die auf unterschiedlichste Weise am Parzellenraster ausgerichtet sind, ihre Entstehungsgeschichte deutlich erkennen. Die Straßenzüge der auf der anderen Seite des Bahndamms gelegenen Siedlung Tannenhof werden, wie jene der Golzheimer Heide, dagegen von einem gleichen Haustyp geprägt, wobei zahlreiche An- und Umbauten einen unordentlich verschachtelten Eindruck erzeugen.

27. August 2011 von Kai Yves Linden
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