Rezepte

Sommersprossenhaut

Sanddorn An den seeabgewandten Hängen der trockenen Dünentäler von Terschelling werden die auf den weißgelben Sand gestreuten hellgrünen Grasbüschel dichter, und dunklere Gebüschflecken behaupten sich gegen den von der ersten Dünenkette abgeschwächten Wind, der salzig meist aus Westen über die Küste streicht. Aus den Flecken ragen Holunderbüsche heraus, aber ihre Grundlage bilden Kriechweiden und – Sanddorn, an den Küsten auch Seedorn, in den Niederlanden duindorn /ˈdœʏ̯nˌdɔrn/ genannt (botanisch Hippophaë rhamnoides), ein Ölweidengewächs. Im Herbst reifen die orangeroten eiförmigen Früchte. Sie sind wegen ihres hohen Vitamingehaltes berühmt, vor allem an Vitamin C, auf das auch der zuvorderst saure Geschmack der Scheinbeeren hinweist. Einige wenige Beeren reichen aus, um den Tagesbedarf eines Erwachsenen an dem Vitamin zu decken, das gegen Erschöpfung, Kopfschmerzen und Erkältung hilft und die Konzentrationsfähigkeit fördert.

Die Früchte hängen in manchmal traubenähnlicher Dichte unmittelbar am Holz und sind, vor allem wenn sie überreif sind, schwer vom Holz zu lösen. Die vor orangegelbem Saft fast berstenden dünnen Früchthüllen zerplatzen leicht. Wir haben die Früchte geerntet, in dem wir ihre rötlichen Stiele mit einer feinen Schere durchtrennt haben. Die Bepunktung der Fruchthülle erinnert an Sommersprossen, die sich bei sehr naher Betrachtung nicht als Pigmentmuster, sondern als winzige sternförmige Schuppen herausstellen, welche wahrscheinlich die Spannung der Fruchthaut stabilisieren. Die Ausbuchtung des dunkleren und größeren Punktes am vorderen Ende der eiförmigen Frucht, die mich an eine Brustwarze erinnert, ist ein Übrigbleibsel der Blüte, wie es bei allen Früchten zu finden ist.

Das fette Öl der Samen wird für Hautpflege und bei Sonnenbrand verwendet. Da der Kern aber groß und hart ist, ist er kulinarisch eher unangenehm. Die Früchte werden vorzugsweise durch ein Sieb passiert, um das Fruchtfleisch herauszulösen und einen breiigen Saft zu gewinnen. Der sehr säuerliche, saftige Grundgeschmack wird von einem feinen für den Sanddorn charakteristischen Aroma begleitet. Häufig wird Zucker oder Honig in den Saft gemischt, um die Säure zu mildern. Ich ziehe es vor den Saft mit süßeren Zutaten zu kombinieren, z.B. auf oder neben eine gebackene Banane geträufelt. In warmen, herzhaften Gerichten bietet sich Sanddornsaft als Alternative zu Orangen oder Zitronen an. Der hohe Säuregehalt überdeckt jedoch schnell feine andere Aromen, sodass sich Verbindung und Dosierung schwierig gestalten.

29. Oktober 2011 von Kai Yves Linden
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