Computer-Musik
Tatschen, streichen, wischen
Open Sound Control (OSC) ist ein Protokoll und Format für Nachrichten zwischen Computern und anderen elektronischen Geräten, die eine moderne Netzwerkschnittstelle aufweisen, das für die Steuerung von musikalischen und multimedialen Aufführungen intendiert und optimiert ist. Es wurde 1997 vom CNMAT (Center for New Music and Audio Technologies), einem interdisziplinärem Forschungszentrum an der University of California, Berkeley, veröffentlicht. OSC ist eine Weiterentwicklung von ZIPI (Zeta Instrument Processor Interface), eine Schnittstellenspezifikation, die als Zusammenarbeit zwischen Zeta Music Systems, einer inzwischen erloschenen Firma, die vor allem als Hersteller elektrischer Violinen bekannt wurde, und dem CNMAT entstanden war. ZIPI sollte MIDI (Musical Instrument Digital Interface) ablösen, das 1983 durch ein eines Konsortium von Geräteherstellern eingeführt wurde, um die Verbindung und Kommunikation zwischen digitalen Musikinstrumenten, Computern, sowie Effektgeräten zu standardisieren. Im Gegensatz zu MIDI fand ZIPI jedoch keine ausreichende Unterstützung und Verbreitung, obwohl es viele Verbesserungen brachte. Wie MIDI war es vor allem für die symbolische Darstellung von Musik und zur Steuerung von Geräte-Parametern gedacht, verwendete aber modernere und effizientere generische Datenformate. Wegen der zunehmenden Bedeutung von Software bei digitaler Klangerzeugung hat OSC gute Chancen sich auch ohne Unterstützung eines Industriekonsortiums durchzusetzen. Ein bedeutendes Moment bei seiner Verbreitung ist, dass OSC die Verwendung von universalen Rechnern mit Touchscreen und Sensoren, wie z.B. Smartphones und Tablets, zur kabellosen Steuerung von multimedialen Computerprogrammen ermöglicht.
Zwei herausragende Beispiele unter den Klang- und Multimedia-Applikationen, die OSC unterstützen, sind Max/MSP/Jitter und seine quelloffene Schwester Pure Data. Am CNMAT wurden eine Handvoll Max Objects entwickelt, welche die Arbeit mit OSC in Max vereinfachen.[1] Diese Applikationen stehen im Allgemeinen auf der empfangenden Seite, der Server-Seite, und sind für die Erzeugung von Klängen und Bildern zuständig. Verschiedene Apps auf Android und iOS verwandeln ein Smartphone oder Tablet in eine Oberfläche zur Steuerung eines als OSC-Servers. Die Netzwerkverbindung wird über WLAN hergestellt. Die durch Tatschen, Streichen und Wischen zu bedienenden Steuerungselemente sind oft weitgehend kombinierbar und konfigurierbar. Drei Apps, die ich besonders interessant finde und auf meinem iPhone ausprobiert habe, seien hier vorgestellt.
Mrmr ist laut Homepage ein Forschungsprojekt, das am IDMI (Integrated Digital Media Institute) am Polytechnischen Institut der New York University in Brooklyn entstanden ist und z.Zt. von Eric Redlinger geleitet wird. Zum quelloffenen Projekt gehören verschiedene Software-Pakete. Die Client App läuft auf iPhone und iPod, der Interface Builder auf Mac OS X (die Portierung auf andere Systeme wird angeregt). Als Oberflächenelemente sind Tastenfelder, Schieberegler und X/Y-Regler im Angebot. Außerdem sendet die Client App die Daten des Beschleunigungssensors (dies permanent, es wäre allerdings wünschenswert, es abschalten zu können). Insgesamt ist die App sehr brauchbar. Und ich bin gespannt, wie sich das Projekt weiter entwickelt.
HipnoTouch von Electrotap basiert auf einem intuitiveren grafischen Ansatz. Ein Finger streicht über eine Fläche, auf der ineinander verlaufende Farbkleckse oder Farbverläufe angeordnet sind. Die App sendet die Koordinaten des Berührungspunktes und die Gewichtsverteilung der darunter liegenden Farben. Die aktuelle Version bietet 47 Vorgaben zur Auswahl. Die Erstellung eigener Farbarrangements wird für eine zukünftige Version angekündigt.
Bei Breath OSC von Thomas Edwards ist das Mikrofon die Eingabeschnittstelle. Der Druck auf die Membran wird als Wert zwischen 0,0 und 1,0 übermittelt. Leider geschieht dies jedoch nicht zuverlässig, bei meinem Test jedenfalls blies ich die meiste Zeit, ohne dass in meinem Max-Patch etwas ankam. Die Idee ist großartig, aber vielleicht ist ein klassischer MIDI-Breath-Controller doch geeigneter, um Daten zu erzeugen, die der Anregung eines Blasinstrumentes entsprechen, denn ich weiß nicht, wie gut das iPhone-Mikrofon längeres Anblasen verträgt.
Alle drei Apps sind, zumindest gegenwärtig, kostenlos.