Rezepte

Milde Schärfe

Gillesbach In seinem Geschmack verbindet sich die Schärfe des Knoblauchs mit grasiger Frische. Bärlauch (Allium ursinum), eine Art der Gattung Lauch wie auch Zwiebel, Knoblauch, Schnittlauch, ist beliebt. Seit einigen Jahren ist er außerordentlich in Mode gekommen. Er wird auf Wochenmärkten angeboten und steht ganzjährig auf Speisekarten von Restaurants und Bistros, die nicht unbedingt der kulinarischen Avantgarde zuzurechnen sind. Eingefroren verlieren die Blätter nur wenig von ihrem charakteristischen Geschmack. Zum Glück findet er in unseren Breitengraden häufig die Bedingungen vor, unter denen er gut gedeihen kann. Die Pflanze bevorzugt schattige Lagen und mäßig bis gut durchfeuchtete schwachsaure, stickstoffhaltige Böden. Sie ist in Buchenhainen und entlang Bachläufen zu finden. Inzwischen gibt es auch Bauern, die ihn kultivieren. Der intensive Lauchgeruch bewahrt Sammlerin und Sammler vor den giftigen Doppelgängern Herbstzeitlose und Maiglöckchen. Die Blätter können in März und April, in wärmeren Gegenden manchmal schon Ende Februar, die Blüten bis in den Juni hinein gesammelt werden.

Landschaftlich ist er auch als Rams, Ramschel, Räms oder Rämsch bekannt. Im Englischen lautet sein Name ramson, im Schwedischen ramslök. In einigen anderen Sprachen wird er übersetzt einfach als Waldknoblauch bezeichnet, meistens wird die Lauchart jedoch mit Bären in Verbindung gebracht. Woher diese Beziehung kommt, ist unklar. Manche führen sie darauf zurück, dass Bären beim Ausgraben der Zwiebeln beobachtet worden sein sollen. Allerdings ist in unseren Breitengraden die Gefahr, beim Sammeln von Bärlauch auf dieses große Raubtier zu stoßen, gering. Zwar sind die Bestände beim Bärlauch oft umfangreich – gern erscheint er in natürlichen Feldern – sie sollten aber nicht geräubert werden.

Auch die Blätter des verwandten Knoblauchs (Allium sativum) sind übrigens essbar – sie entfalten mehr Schärfe. In Geruch und Geschmack deutlich an Knoblauch erinnernd, unterscheidet die grasige Frische die wilde von der Kulturpflanze. Der Ethnobotaniker François Couplan, der als einer der ersten in neuerer Zeit Wildpflanzen bestimmte und einordnete – und für eine naturnahe, wilde Arten einbeziehende Kultivierung von Pflanzen eintrat – hat den Bärlauch (französisch ail des ours) für die Küche wiederentdeckt.[1]

Bärlauch schmeckt roh in Kräuterzubereitungen und zusammen mit anderem grünem Blattgemüse wie Lauch oder Spinat oder als Alternative zu diesem in warmen Vorspeisen (insbesondere in Nudelgerichten) und in Aufläufen. Eine beliebte Methode zur Haltbarmachung ist die Zubereitung von Pesto, wobei der Bärlauch die Stelle des Basilikums im traditionellen Pesto auf Genueser Art einnimmt. Die anderen Zutaten von Pesto di aglio orsino (auch die italienische Küche kennt es) sind Pinienkerne (oder Mandeln oder andere Samen), Parmesan (oder Pecorino), Olivenöl, Salz und Pfeffer. Die grünen Blätter werden abgetupft oder trocken geschleudert und dann zerhackt. Die Pinienkerne werden in einer mit einem Streifen Öl überzogenen Pfanne leicht angeröstet und feingehackt. Parmesan (oder Pecorino) können jetzt oder erst später, wenn das Pesto verwendet wird, hinzugefügt werden. Durch den Käse kann das Pesto in eine leichte Gärung geraten. Auch das Salzen und Pfeffern kann auf später verschoben werden. Die Zutaten werden zusammen mit soviel Öl püriert (das namensgebende Zerstoßen im Mörser erscheint in der modernen Küche antiquiert), dass das Pesto vom gedrehten Löffel einen Augenblick hängen bleibt, bevor es in die Schüssel zurückfällt.

Eine ganz besondere Delikatesse sind die Blütenknospen. In Essig, Öl oder Salzlake eingelegt, entfalten sie einen feinen Geschmack und bleiben lange haltbar. Reife Blüten sind eine delikate Dekoration. Der Genuss von Bärlauch wirkt günstig auf Gesundheit und Wohlbefinden.

1. François Couplan: Le régal végétal. Plantes sauvages comestibles. 1990, Neuauflage Paris 2009.

28. April 2013 von Kai Yves Linden
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