Kunst

Pastiche

Whitehead In der Zeit nach der Moderne, in der Postmoderne gibt es in der Kunst – was ihre Analytiker als Reflex dessen eingeordnet haben, was sie als Beliebigkeit oder Austauschbarkeit bezeichnet haben, eine Folge der Anonymisierung des Kapitals – keinen allgemeingültigen Stil, damit aber auch keinen Personalstil mehr, der sich von einem verbindlichen Zeitstil absetzte, oder irgendeinen individuellen, vom Künstler erfundenen Stil, da alle stilbildenden Varianten bereits ausprobiert wurden. Dem Künstler bleibt nur das Pastiche, also das Aufgreifen stilistischer Merkmale ohne kritische Absicht (im Gegensatz zur Parodie): Jede Kunst ist heute eine Form von Wiederholung.

Für den Künstler ist damit die Auseinandersetzung mit der Beliebigkeit der Stile und gleichberechtigten Koexistenz divergierender und teilweise entgegengesetzter ästhetischer Ansätze unabdingbar. Das Gelingen von Kunst hängt davon an, dass sie sich in diesem vexierenden Bezugssystem positioniert – nicht zuletzt um eine Wiedererkennbarkeit herzustellen, die eine vergleichende Auseinandersetzung ermöglicht, aber auch die Vermarktung – da aber der Austauschbarkeit letzlich nicht zu entrinnen ist, auch davon, ob sie diese als solche reflektiert – und dabei gesellschaftliche, also kulturelle Relevanz gewinnt. Dies kann etwa darin bestehen, dass der schöpferische Akt als Akt der Positionierung transparent wird.

Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Pastiche sind die Vasengemälde von David Whitehead, der in La Borne lebt und arbeitet. Die Spannung zwischen der stabilen einfachen Form und der irisierenden Oberfläche mit ihren halb absichtlichen und halb zufälligen Details überträgt sich für mich als Spannung von Körper und Sensitivität. Whitehead malt auf dem Scherben wie auf einer Leinwand, wie er selbst sagt. Manchmal lässt er das Holzfeuer selbst mitwirken. Seine Vasengemälde erinnern an die Leinwandbilder von Jackson Pollock, aber sie haben nichts mit bedruckten Hemden gemeinsam, die in Museumsläden verkauft werden, denn sie zitieren nicht einfach das Ergebnis, sondern wiederholen die Verfahrungsweise, wie Theodor W. Adorno es nannte (der kein Theoretiker der Postmoderne war). Ob Whitehead ohne Absicht zur Wiederholung gekommen ist, spielt keine Rolle. Wesentlich ist, dass seine Arbeit als Töpfer sichtbar wird, seine Auseinandersetzung mit der Abfolge von erstem und zweitem Brand (Rohbrand und Glattbrand): Mein Blick auf die Vase stellt sich die Hand des Töpfers vor. Vielleicht erscheinen mir seine Arbeiten deshalb nicht nur dekorativ, sondern auch schön. Auch jenseits aller philosophischen Erwägungen (soweit mir dazu genügend Unschuld geblieben ist) finde ich sie einfach schön.

(Das Foto bildet eine Bodenvase von David Whitehead ab, die im Ausstellungsraum seiner Werkstatt steht.)

18. August 2011 von Kai Yves Linden
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