Dies und das
Eller Forst
Im Eller Forst habe ich mich seit meiner Jugend immer wieder aufgehalten. Heute wohne ich in unmittelbarer Nähe und gehe häufig durch den Wald, inzwischen fast jeden Tag – um mich eine halbe oder ganze Stunde lang mit zügigen Schritten fit zu halten. In meinen jugendlichen Jahren hatte ich etwa zehn Minuten mit dem Fahrrad bis zum Wald. Gut erinnere ich mich an die Stimmung eines Ferientages, an dem ich mich mit einer Tüte Kirschen, die ich vorher auf dem Markt gekauft hatte, an einer weichen und trockenen Stelle mitten unter die Bäume legte, durch deren Blätter das Sonnenlicht mild hervorleuchtete. Ich war allein ohne mich einsam zu fühlen.
Später traf ich mich mit vielen Freunden und Bekannten in einem Waldklassenzimmer zu Bottle-Partys. Jeder brachte etwas zu trinken mit, manchmal auch etwas zu essen oder zu rauchen, aber vor allem sich selbst. Das Waldklassenzimmer gibt es nicht mehr; letztens meine ich die Stelle wiedergefunden zu haben, ungefähr dreißig mal dreißig Meter am Wegrand, die nunmehr durch weniger dicht stehende und jüngere Bäume auffallen, wo wahrscheinlich die inzwischen vergessene in Hufeisenform geschwungene lange Bank stand. In dieser Zeit lernte ich auch Freunde aus Unterbach kennen, und mein Weg zu ihnen mit dem Fahrrad ging durch den Wald.
Der fast schnurgerade verlaufende Kikweg, der den Stadtteil Unterbach an der Ostseite des Waldes mit einer Fußgängerbrücke verbindet, die um 1905/1910 zur Überquerung der Bahngleise an der westlichen Kante des Waldes gebaut worden war, teilt den Eller Forst in zwei ungefähr gleiche Hälften. Der südliche Teil des Waldes, ein Erlenbruchwald, ist heute Naturschutzgebiet. Der Grundwasserspiegel liegt hier an vielen Stellen auf der Höhe des Erdbodens. An den Wald und eine große Feuchtwiese, die noch zum insgesamt etwa 95 Hektar umfassenden geschützten Gebiet gehört, stößt im Süden der Unterbacher See, ein durch Auskiesung entstandener Baggersee, der seit Mitte der 1950er Jahre in ein Erholungsgebiet umgewandelt wurde, bis in die 1970er Jahre hinein noch während weiter Kies und Sand entnommen wurden. Der See wird durch die Autobahn A46 von einem weiteren Baggersee getrennt, dem Elbsee, dessen Auskiesung erst Mitte der 2000er Jahre beendet wurde. Im nördlichen Teil des Waldes bezeugt das annähernd rechtwinkelige Raster der Wege die frühere wirtschaftliche Nutzung des Waldes. Eine langgezogene Erhebung neben der L404, die in diesem Teilstück nach einem Bauerngut auf der gegenüberliegenden Seite Rothenbergstraße heißt, ist aus der Renaturierung einer Mülldeponie entstanden, Schilder warnen hier vor Methangas.
Am nördlichen Rand des Waldes beginnt der Stadtteil Vennhausen, dessen Name darauf hinweist, das er im 19. Jahrhundert nach Trockenlegung eines sumpfigen Gebietes entstand. Bis 1909 war Vennhausen der Gemeinde Gerresheim zugeordnet. An die Industrialisierung und die unzähligen rauchenden Schlote des Düsseldorfer Südostens erinnern heute nur noch wenige Baudenkmäler und historische Fotos. Die Siedlungen Freiheit und Tannenhof, die den Stadtteil wesentlich prägen, wurden nach dem ersten Weltkrieg errichtet. Ein erst vor wenigen Jahren aufgestellter Gedenkstein am Waldrand erinnert an Else Gores, eine junge Frau, die während der Herrschaft der Nazis kriegsunwilligen Soldaten half und hier, in der Nähe der Gaststätte „Waldschänke“, wenige Tage vor dem Einmarsch alliierter Truppen am Ende des zweiten Weltkrieges, misshandelt und angeschossen aufgefunden worden war, nur um von dort wiederum von Nazi-Schergen verschleppt zu werden, seitdem sie als spurlos verschwunden gilt. In einer helleren Zeit, während der Wirtschaftskrise zwischen den beiden Weltkriegen gab es verschiedene Wohn- und Siedlungsexperimente, nach einzelnen Hinweisen auch Wohngemeinschaften in Holzhäusern, die Anarchisten, Künstler und Freidenker in den Wäldern im Düsseldorfer Süden errichtet hatten; leider gibt es hierzu nur wenige Spuren und Belege.
Bei meinen Walks durch den Wald, die als Leibesübung motiviert und zugleich eine Pause im Alltag sind, mache ich öfter eine Pause in der Pause an einer Stelle, eine feuchte Senke, die im Winter oft unter Wasser steht und auch im Sommer weitgehend feucht bleibt. Manchmal nehme ich einen Fotoapparat mit, um auszuprobieren, was die Optik aus dem macht, was mir hier so auffällt. Es geht mir dabei weniger darum, den Ort zu dokumentieren, als seinen gewissen Zauber einzufangen. Es ist ein Ort, der unmittelbar an die Sphäre der Menschen grenzt und nur wenig von ihr berührt wird. Im Sommer gibt es hier viele Mücken, und es tut nicht gut zu lange stehen zu bleiben, etwa um Bildkomposition und Einstellungen zu verbessern. Dann bin ich oft gespannt in der größeren Ansicht am Rechner zu sehen, ob die Fotos etwas geworden sind. Viele habe ich weggeworfen, ein paar habe ich für eine Webgalerie ausgewählt. (Zur Fotogalerie→)