Fotografische Praxis
Rauschabstand
Fotografieren ist mit digitalen Kameras – bzw. mit automatischer Einstellung von Belichtung und Fokus, eine Technologie, die in den 1980er Jahren eingeführt wurde (als auch die ersten digitalen Kameras entwickelt wurden) – fraglos einfacher geworden. Um ein zufrieden stellendes Foto zu machen genügt point and click: Linse auf das Motiv halten und knipsen. Wenn es um mehr als nur einen Schnappschuss geht, gibt es allerdings noch etwas Spielraum. Keine Kamera stellt automatisch die beste Belichtung für eine beliebige Situation ein – abgesehen davon, dass die Situation für die Automatik oft zu komplex ist, gibt es bei jedem Motiv nicht nur eine Art, es zu sehen.
Dabei denken wir hier nicht an die Ausleuchtung im Studio, externe Blitze, Reflektorsegel und allerlei andere Ausrüstung, die bei professioneller Fotografie mit ins Spiel kommt. Auch bei der Fotografie mit natürlichem Licht kann durchaus noch die eine oder andere Einstellung an der Kamera vorgenommen werden, die im Zweifelsfall den Unterschied bei der Aufnahme ausmacht. Jedenfalls geht es immer um das Licht – schließlich bedeutet das Wort Fotografie so viel wie Lichtmalerei (wobei eine entscheidende Frage ist, ob es das Licht selbst ist, welches sich auf Medium schreibt, oder der Fotograf, der mit dem Licht malt). Belichtungsmesser werden zwar auch heute manchmal noch verwendet (vor allem im Studio), das wichtigste Instrument zur Belichtungsmessung im digitalen Zeitalter aber sind Histogramme.
Die digitale Aufzeichnung hat zwei technische Nachteile gegenüber einer analogen: 1. Eine Überschreitung des Wertebereichs führt zum völligen Verlust der Information. 2. Die Auflösung nimmt mit der Signalstärke ab. Darin gleicht die Aufzeichnung von Helligkeitsmessungen eines Sensors der Aufzeichnung von Luftdruckschwankungen durch ein Mikrofon. Digitale Aufzeichnung bedeutet, dass die Messungen in diskrete Werte innerhalb eines festen Wertebereiches übersetzt werden. Bei einer Datenbreite von 8 bit beträgt der Maximalwert 255. Werte unter 0 oder über 255 können nicht dargestellt werden. Wird der Wertebereich überschritten, sprechen wir von „Clipping”, bei Fotografie von ausgerissenen Lichtern. Zwischen 1,0 und 0,5 gibt es „analog” unendlich viele Werte, ebenso zwischen 0,5 und 0,25. Digital wird (bei 8 bit) der erste Bereich mit 128 verschiedenen Werten zwischen 128 und 255 dargestellt, der zweite aber nur noch mit 64 verschiedenen Werten zwischen 64 und 127, usw. Je geringer der darzustellende Wert, desto größer ist also der Rundungsfehler, der das Rauschen bedingt. Wer konservativ aussteuert, um Übersteuerungen zu vermeiden, bzw. zur Unterbelichtung tendiert, um Lichter ohne Zeichnung zu vermeiden, gerät also leicht in die Falle des zweiten Problems, der Verringerung des Rauschabstandes.
Für die Fotografie hat Michael Reichmann, Fotograf und Gründer der englischsprachigen Web-Site The Luminous Landscape, deshalb die „Formel” aufgestellt: Expose (to the) Right. Die schlichte Regel besagt: Belichte richtig, indem du das Histogramm rechts ausrichtest. Dies ist allerdings mit etwas Mehraufwand verbunden, denn auf diese Weise heller belichtete Bilder müssen bei der digitalen „Entwicklung” (wir gehen hier von Bilddateien im Raw-Format aus) meistens wieder dunkler eingestellt werden, um dem ursprünglichen Eindruck (der Lichtstimmung) zu entsprechen. Damit dabei kein digitales Rauschen eingeführt wird, muss die Bearbeitung mit höherer Datenbreite (z.B. 16 bit in Photoshop) erfolgen.
Das obige Bild zeigt ein Histogramm im Display einer Canon EOS 400D, bei dem es oben (auf der rechten Seite) noch einige Reserve gibt. Zwar hatte ich die Belichtung um 2/3 Lichtwerte verringert, die Reserve umfasste mehr als doppelt soviel, wie ich durch Ausprobieren feststellen konnte. Die Aufzeichnung im Raw-Format (bei der EOS 400D mit 12 bit pro Farbkanal) ermöglicht eine „Entwicklung”, bei der hellere und dunklere Bereiche gleich gut gezeichnet werden – es sei denn, es handelt sich um eine Situation mit extremen Kontrasten, die eine Mehrfachbelichtung erfordert – was bei einer Ausrichtung des Histogramms am Anschlag rechts mit weniger Rauschen einhergeht.