Musik

Fünf Dauern

Gestern Abend und heute Morgen habe ich einmal wieder die Durations von Morton Feldman aufgelegt. Der Titel der 1960/61 entstandenen Stücke für zwei bis sechseinhalb Instrumente (das Klavier wechselt zwischendurch zur Celesta) bezieht sich nicht nur auf die Gesamtdauern der Stücke bzw. Sätze (in welche von den fünf nur Durations III unterteilt ist) – die kürzeren 3′, 4′, die längeren 9′, 10′ (die Sätze > 1′ und < 4′) – sondern auch auf die einzelnen Dauern der Klänge, die von den Interpreten frei und voneinander unabhängig gewählt werden sollen.

The first sound with all instruments simultaneously. The duration of each sound is chosen by the performer.

Dadurch wird die synchrone harmonische Konstellation weitgehend unvorhersehbar. Darüberhinaus zielt Feldmans Gestaltung der Tonfolgen der einzelnen Instrumente und die Wahl der Intervalle darauf, das aurale Gedächtnis des Zuhörers zu zerstreuen. Dazu trägt auch das insgesamt sehr langsame Tempo, die geringe Anschlagsdichte bei.

All beats are slow. All sounds should be played with a minimum of attack. Grace notes should not be played too quickly. Numbers between sounds indicate silent beats. Dynamics are very low.

Wir beginnen, weniger auf die vertikalen und horizontalen Beziehungen zwischen den Tonhöhen zu achten und mehr auf die instrumentalen Konstellationen. Die Klänge beziehen sich wie Teile eines Mobiles aufeinander. Indem wir die Musik hören, wie wir ein Mobile oder Kaleidoskop betrachten, erfahren wir das Hören als eine Art von Meditation.

Erinnerungen an Bilder von Malern wie Piet Mondrian, Barnett Newman, Mark Rothko, Jackson Pollock u.a. stellen sich ein, die Feldman schätzte und als Einflüsse auf seine Arbeit benannt hatte. Bei mir sind diese Erinnerungen allerdings weniger optisch als ideell.

Leider ist die 1997 beim niederländischen Label Etcetera erschienene Box The ecstasy of the moment mit Einspielungen des Amsterdamer Ensembles The Barton Workshop von größtenteils frühen Werken vergriffen. Eine vom Label CPO des Versandhandels JPC herausgegebene CD koppelt eine Aufnahme durch das Leipziger Ensemble Avantgarde etwas willkürlich – aber zu einem kleinen Preis – mit dem vom Berliner Deutschen Symphonie-Orchester gespielten Orchesterstück Coptic Light, einem der letzten Stücke des Komponisten.

13. April 2011 von Kai Yves Linden
Kategorien: Musik | Schlagwörter: , | Kommentare deaktiviert für Fünf Dauern